MULTIOPTIONAL – Kann es sein, dass es vor unserer Zeit schwerlich eine andere gab, in der wir so viele Wahlmöglichkeiten hatten? Ich vermute ja. Rückblickend auf die Geschichte hatten es die Menschen eher schwerer. Es herrschte mehr Unterdrückung und der Einzelne hatte weniger Freiheiten. Ein Job dauerte das Leben lang, man war viel mehr als heute in einer Kategorie des Seins gefangen und konnte schwerlich von einer in die andere wechseln, geschweige denn einen Schritt nach oben tun. Wobei wir auch heute sehr schwer einen Schritt nach oben tun können. Das passiert wenigen und das sehr selten und vielleicht klammern wir uns manchmal zu sehr an diese romantische Vorstellung. Eine Vorstellung, die ein scheinbares Heilversprechen beinhaltet. Ein gewisses “Mehr”, meist ein sehr begrenztes und materielles “Mehr”, dass hier unsere Geister beflügelt.
Täglich erhaschen uns unzählige Eindrücke und Angebote, die einen etwas versteckter als die anderen. In irgendeiner Weise haben sie aber eine Gemeinsamkeit. Der Betriebswirt würde diese übergeordnete Gemeinsamkeit Bedürfnis nennen. Es ist ein Wunsch, der in uns erzeugt wird, etwas zu brauchen, obwohl wir es vorher vielleicht gar nicht gebraucht hätten oder es gar nicht wussten, dass wir es brauchen würden. Und trotzdem prasseln die unzähligen Angebote auf unzähligen Kanälen täglich auf uns ein. Wie sollten wir uns davor bloß erwehren und wie überprüfen, was wir denn wirklich brauchen könnten? Hierfür gibt es so viele Antworten, ich rate zur Innenschau und eigenen Beantwortung. Ich frage mich in diesem Bezug gerne nach dem Interesse an der Sache? Kommt ein Wunsch aus mir selbst oder kommt er von außen, von der Werbung, dem Lifestylemagazin oder vielleicht vom Leben der Vorbilder? Die Außenwünsche, seien sie auch noch so versteckt und unterschwellig, sind heute in einer Ausprägung in unseren Leben vorhanden, die es wahrscheinlich noch nie in dieser Form gab.
So will ich hier über andere Optionen schreiben. Optionen abseits der Livestylefibeln und Selbsthilfeliteratur, von Optionen, die nichts kosten und für die wir nichts von uns selbst verkaufen müssen, ganz im Gegenteil. Es sind die Möglichkeiten in uns, die Möglichkeiten abseits der materiellen Vorstellungen, der Erwartungen von außen und vor allem der Manipulation der Werbung. Auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole, in keiner Zeit war der Mensch freier als heute und selten in der Vergangenheit konnte er seine Entscheidungen weitestgehend frei treffen. Wir sollten uns doch glücklich schätzen, in dieser Zeit zu leben.
Wir haben die Möglichkeit unsere Entscheidungen geschickt zu hinterfragen und manipulativen Bedürfnismachern aus dem Weg zu gehen. Das braucht Übung, aber mit etwas Sensibilität und Ehrlichkeit zu sich selbst, ist hier viel möglich. So wird es Tag für Tag leichter werden, gute Entscheidungen zu treffen. Dann wird auch eine gewisse Sicherheit, die vielleicht schon verloren geglaubt war, zurückkehren und sich ein gutes Bauchgefühl beim Entscheiden einstellen. Das führt möglicherweise zu Entschlüssen, die man bis dorthin nicht für möglich hielt und plötzlich ist etwas lebensverändernd.
Wir haben die Möglichkeit zur Kommunikation um unsere Beziehungen zu verbessern. Wir brauchen nicht raten, wir können ernst fragen und dann verstehen. Wir können statt defensiv-impulsiv-aggressiv mal aktiv-freundlich-wertschätzend sein und uns wie unser Umfeld beobachten, vielleicht passiert ja etwas ganz wider Erwarten.
Wir haben die Möglichkeit zu schauen, welche Schuhe uns tatsächlich passen. Vielleicht sind die Schuhe, die wir tragen, tragen wollen oder gar tragen sollten nicht bequem genug, gar zu groß oder zu klein. Was ich damit sagen will, wir können einfach mal schauen, wo wir stehen und ob uns unser Leben für uns selber so passt. Oder ob durch irgendetwas oder jemanden unser Leben in die eine oder andere Richtung bewegen. Eine Richtung, die uns vielleicht gar nicht so gut passt?
Wir haben auch die Wahl und müssen uns nicht sagen lassen was wir arbeiten, was wir lernen oder wie wir leben. Haben wir freie Hand? Oder sollten wir nur etwas lernen, was in weiterer Folge viel Geld bringt, einen sicheren Job um dann mit vollem Elan in das Hamsterrad der künstlichen Bedürfnisse einzusteigen und sein Leben möglichst mit den angesagtesten Echtlederscheuklappen vom Hipsterschuster zu verbringen. Meinen Zynismus meine ich sehr ernst, denn das Beobachtbare ist verabscheuungswürdig genug, emotional flach und meist höchst langweilig. Viel schlimmer noch, es bleiben durch die vielen sogenannten “Needs”, zu viele, ganz normale und zwischenmenschliche Bedürfnisse auf der Strecke. Vielleicht wäre es an der Zeit, öfters die Optionen mit Herz und Bauch zu wählen, als die Vorgelegten mit kalkulierten und propagierten Lebenssinn.
Ich will auch sagen, dass es wohl schwer ist den Blendungen unserer Zeit zu entwischen. Aber vielleicht ist es, abseits der Zukunftsängste und Unsicherheiten (von Außen), einfach an der Zeit das Gespür fürs eigene “Richtig” zu explorieren? Selbst zu bestimmen welche Optionen relevant, sinnvoll und wählenswert sind, dies vielleicht mit den wichtigen Menschen besprechen und dann vielleicht andere Entscheidungen treffen.
Wen schert es, heute können wir das tun, mehr als jemals zuvor.