Schwarz/Grün am Grund

Ich frage mich warum viele Bäuerinnen und Bauern so an Türkis gefesselt sind und warum sie so schwer etwas anderes wählen würden? Daher wage ich ein Gedankenexperiment in Form einer Liste. Eine Liste meiner Wahrnehmungen, Sichtweisen und selbstverständlich auch meiner Vorurteile. Neben der Kritik an diesem “eingefahrenen Gaul” geht es mir darum, vielleicht ein bisschen Bewegung in die Gespräche und Vorwahlgedanken der Bäuerinnen und Bauern zu bringen.

Ich denke, dass die Bäuerinnen und Bauern, die österreichische Landwirtschaft und der Umweltschutzgedanke gut zusammen passen würden. Ich fokussiere mich hier auf die Grünen, denn ich finde, dass momentan keine andere Partei einen annähernd zeitgemäßen Umweltschutzgedanken verfolgt. Außerdem ist die Kluft zwischen türkis und grün eine Beachtliche. Ich will niemanden umstimmen. Mir geht lediglich der Hass und die langweiligen Argumente auf die Keks und ich schreibe eine Liste – hoffentlich entschärft genug um niemanden zu beleidigen und hoffentlich scharf genug um den einen oder anderen Nerv zu treffen. Ich frage mich, ob es hauptsächlich um alte Vorurteile, politische (Familien)tradition und unbegründete Ängste geht. Das würde ich bedenklich finden.

Meine Gedanken warum österreichische Bäuerinnen und Bauern die Grünen eigentlich nicht wählen können:

1) Die Grünen und die Türkisen mögen sich nicht. Bäuerinnen und Bauern wählen türkis. Das ist schon lange so.
2) Die Türkisen stehen für die Bäuerinnen und Bauern.
3) Raiffeisen und Lagerhaus sind türkis. Stall, Traktor und Futter sind türkis.
4) Die Grünen sind die “gscheiten” StädterInnen, die Bazis, die KommunistInnen (hier: radikale Steigerung von SozialistInnen), die Alternativen . . . das ist komisch.
5) Die Bäuerinnen und Bauern haben Besitz und etwas zu verlieren. Die Grünen besitzen wenig und sind nicht gar erfolgreich.
6) Die Fremden bringen die Kriminalität ins Land und aufs Land. Fremdes ist irgendwie gefährlich. Die Grünen unterstützen das. Die Grünen sind vielleicht gefährlich.
7) Die Grünen können sich nicht organisieren, nicht regieren und wir brauchen eine starke Regierung.
8) Nur ein bisschen Rechts. Das spart Diskussionen und wird im Land der Mitte toleriert. Zu unserem Schutz. Die Grünen schützen uns nicht.
9) Das türkise Plakat auf der Wiese ist irgendwie cool. Die ÖVP ist für uns (Regionalbezeichnung)er! Am Land gibt es keine Plakate der Grünen. (außer ein A4-Ausdruck mit Holzstöckchen für das Foto dieses Beitrags)
10) Sebastian Kurz kann man Vertrauen, Elli Köstinger und all den regionalen Gesichtern kann man vertrauen. Sie sind bekannt, nicht fremd (siehe Pkt. 6), somit nicht gefährlich.
11) Was? Fleisch ist nicht gesund und schädigt die Umwelt . . . jetzt spinnen die Grünen komplett.
12) Der Klassiker: Rot – Grün vermeiden, aus Sicht der FPÖ: Schwarz-Grün vermeiden. Etwas fremdes Vermeiden (siehe Pkt 6).
13) Wir mögen die EU zwar nicht, aber dort kommen halt die Förderungen her. Außerdem ist die EU schwarz/türkis. Die Grünen sind auch für die EU.
14) Die Grünen würden alles auf bio umstellen. Dann verdienen wir Bäuerinnen und Bauern noch weniger. Aber irgendwie wäre bio schon recht sinnvoll. Aber wie sollte es ohne die Spritzmittel gehen?
15) Die Grünen sind gegen Autos. Wahrscheinlich sind die auch gegen den Traktor. Vielleicht sind sie gegen Bäuerinnen und Bauern.
16) Die AmerikanerInnen sind schrecklich, diese industrielle Massentierhaltung, dieser Konsum, diese dummen Leute. Aber Trump ist nicht so schlecht. Der macht es irgendwie gut. Vor allem mit den AusländerInnen. Außerdem versteht er sich mit Sebastian Kurz. So dürfen wir schon ein bisschen Genfleisch und Gensoja importieren. Die Leute kaufen eh nur das österreichische Fleisch. Ist nicht so schlimm, wenn wir ein bisschen Gensoja füttern weil wir uns bio (siehe Pkt 14) nicht leisten können. Unser Fleisch bleibt unser Fleisch.
17) “Heute geht es nur mit Masse.” Die Bäuerinnen und Bauern fühlen sich vielleicht mehr als UnternehmerInnen oder gar als (siehe Pkt 16) industrielle TierhalterInnen. Teil einer Produktionskette zu sein ist sexy geworden. Türkis ist sexy, türkis ist für die UnternehmerInnen und die Industrie. Das passt irgendwie. Leider.
18) Abschließende Meinung: Ich finde zumindest wegen den Punkten 3), 13), 16) und 17) ist es sehr, sehr schwer in Österreich über neue Wege und alternative Modelle der Landwirtschaft im größeren Maßstab nachzudenken.

Tschüss, ich muss kurz ins Lagerhaus!