BGE von deppert bis deppert!

Stellt es für Menschen aus bildungsfernen Milieus ein Risiko dar, ein BGE zu beziehen? Nach Joachim Bauer (2019, S. 126) ist der Wegfall der Arbeitsstruktur und der damit verbundene Wegfall an Rhythmus, Sinn und Zugehörigkeit bedenklich. Außerdem sieht er die Gefahr in der Abkoppelung bildungsferner Menschen vom Arbeitsprozess. Ich stimme Joachim Bauer zu und denke, dass die Einführung eines BGE etwas mit den Menschen und auch mit der Gesellschaft machen wird. Das Geld alleine wird es auch in diesem Fall nicht richten, zumindest sollten wir nicht davon ausgehen. Gesellschaftliche Veränderungen werden passieren. Die Arbeitswelt wird umdenken müssen, aber die Welt wird durch die frei werdenden Jobs nicht untergehen. Und doch werden diese Argumente kommen und es werden Ängste geschürt werden. Dieses Spiel kennen wir ja bereits von vielen Themen. Ich pauschaliere es unter der “Angst vor Neuem”.

Gehen wir davon aus, dass wir es schaffen und ein BGE eingeführt wird. Was müssten wir tun damit die Menschen in kein “sinnleeres Loch”, vielleicht ähnlich der Zeit nach dem Pensionseintritt, fallen? Es wird für viele schwierig werden mit sich selbst etwas lebendiges und sinnvolles anzufangen. Und vielleicht braucht es hier vielseitige Angebote und ich spreche nicht von “Bespaßung”, diese Hoheit darf dem Konsumkapitalismus und der Unterhaltungsindustie bleiben. Ich spreche von Angeboten zur Selbstermächtigung. Ein mächtiges Wort . . .

. . . aber lassen wir es ruhiger angehen. Wenn größere Teile der Gesellschaft ein BGE bekommen würden, stünden wir vor irgendwelchen größeren, gesellschaftlichen Veränderungen. Es würden (Um)lernprozesse bei den Menschen und in unseren Systemen notwendig werden. Und ja, vielleicht würde es für Menschen aus bildungsfernen Ecken schwerer fallen, aber vielleicht können gebildetere Menschen mit Freiheit schwerer umgehen? Und vielleicht passt die Kategorisierung nicht mehr, vielleicht braucht es sie gar nicht.

Was es brauchen wird, ist ein scharfer Blick auf die Veränderungen. Es gilt die Veränderungen zu erkennen und sie – so meine Hoffnung – auf einer besonders feinfühligen, ethnisch-humanistischen Ebene zu beurteilen. Meine Überlegung gehen in Richtung der Installation eines Reflexionsprozesses oder Austausches zwischen Mensch und System. Ich denke an einen Lernprozess des Systems aus den Reflexionen der Menschen. Ich denke an gezielte, mit dem BGE verbundene, auf- und erklärende Aktivitäten neben der Geldleistung. Ich denke an Bewusstmachungsprozesse. Ich denke an eine PR-Kampagne, warum nicht? Ich denke an Gruppen die sich fragen, “wie tun wir den nun” oder “was tun wir den nun”? Ich denke an eine neue Wertbeimessung für gesellschaftliches und soziales Engagement. Ich denke an ein neues Prestige der Menschlichkeit . . .

Aber wie weit entfernt sind wir von diesen Überlegungen, wie weit entfernt sind wir vom BGE? Schauen wir zurück. Im Aufklärungsprozess haben wir, zumindest in Mitteleuropa, Skalvenhaltergesellschaften, die Macht Kirche und radikale Diktaturen – bereits – überwunden. Wir Menschen sind freier geworden. Und doch sind wir durch Kapitalismus und Industrialisierung in eine andere Art der Unfreiheit geraten. Wir definieren unser Leben, zu einem Teil, durch materielle Bedürfnisse. Um diese Bedürfnisse zu befriedigen brauchen wir Geld und somit haben wir es uns zur Gewohnheit gemacht dem Geld nachzulaufen. Aus dieser Gewohnheit ist quasi ein Gesetz geworden.

Durch die Idee des BGE kommt dieses “Gesetz” in eine gewisse Bedrängnis. Auf einmal stünde Geld einfach so zur Verfügung. Wir müssten dem Geld nicht mehr nachlaufen und könnten die einfachen Bedürfnisse einfach so, immer und ohne Druck bedienen. Das würde große Erleichterungen schaffen und das Geld bekommt als gesellschaftliches Steuerungselement eine andere Bedeutung. Es wandelt sich von der (staatlichen) Almose zum Gemeinschaftsgut. Zumindest jener Teil des BGE.

Aber können wir uns als Gesellschaft – einfach so – eine finanzielle Existenzsicherung zugestehen? Schaffen wir es, den Mut aufzubringen, uns das vorzustellen? Schaffen wir es, das Joch der Arbeit hinter uns zu lassen und aus diesem lastvollen “Muss” oder “Du musst” des Lebens auszusteigen? Schaffen wir es, es zu denken, dass das Geld für das Tägliche, jeden Menschen ohne Sorge und Bedingung überlassen wird?

Was wäre, wenn wir uns das einfach wert werden würden? Was wäre, wenn wir das einfach machen würden? Was wäre, wenn wir das BGE als neue gesellschaftliche Errungenschaft betrachten könnten? Ein Vorzeigemodell auf einem Vorzeige(wohlstands)kontinent.

Ich fände das gar nicht deppert.

 

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